Oz, Oz, Oz! (W)Rap the Wizard! ein verhindertes Musical
Thikwa haut auf den Regenbogen ... grellwitzig ... selbstbewusst ... genial zerrupft ... Ja bitte, mehr davon!
Das wäre Judy Garland nie eingefallen.
Somewhere over the rainbow fliegt die doppelte Dorothy durch das Land of Oz. Auf dem Weg nach Smaragdstadt – nicht Karl-Marx-Stadt –, wo hoffentlich die Post abgeht, begegnet sie starken Gestalten: Die hirnlose Vogelscheuche ist eigentlich ganz glücklich darüber, dass man mit dem „Jagdschein“ überall umsonst rein kommt. Und der feige Löwe rappt zitternd ein Loblied auf die Angst. Nur die Dame mit den roten Pumps versucht die Reisegruppe beständig von ihrer Unzulänglichkeit zu überzeugen.
OZ
Der Zauberer von Oz ist ein sehr bekanntes Kinder-Buch.
Es kommt aus den USA.
Es gibt auch einen bekannten Film dazu.
Er wurde 1939 gemacht.
Also vor 80 Jahren.
Judy Garland hat darin mitgespielt.
Seitdem gab es viele Filme oder Theater-Stücke über den Zauberer von Oz.
Aber keiner war so gut wie der Film von 1939.
Aber jetzt erzählt das Theater Thikwa die Geschichte neu.
Die Vogel-Scheuche hat nur Stroh im Kopf.
Sie ist ein bisschen dumm.
Aber glücklich.
Sie hat einen Jagdschein.
Damit kommt sie überall umsonst rein.
Der Löwe ist feige.
Er ist nicht mutig.
Aber er kann rappen.
[Rap ist Sprech-Gesang.]
Er singt ein Lied über die Angst.
Der Blech-Mann quietscht.
Eigentlich sind alle zufrieden.
Nur die Dame mit den roten Schuhen sagt allen
immer wieder: Ihr seid nicht gut genug.
Aber am Ende gilt auch hier:
Heimat ist da, wo das Herz ist.
Thikwa macht ein Musical! Aber kein gewöhnliches. Rap trifft Electronic Jazz, es wird gesungen und getanzt, aber gleichzeitig das Genre durch den Fleischwolf gedreht. Ein performatives Roadmovie, wo am Wegesrand existentielle Fragen nach dem Wert vermeintlicher Imperfektion lauern. Die Verbesserungsvorschläge klingen sympathisch zeitgeistig und müffeln im Nachgang verdächtig nach neoliberaler Selbstoptimierung. Verführen lässt sich doch jeder gern. Sind wir nicht alle Systemteilnehmer mit reparablen Defiziten?
Thikwa missbraucht lustvoll eine populäre Vorlage für eine Untersuchung in Sachen Individualität und über sich hinauswachsen (müssen). Komische Boxschläge in die intellektuellen Weichteile bleiben da nicht aus.
In guter alter Hollywood-Tradition hat auch OZ, OZ, OZ! einen All-Star-Cast. Neben einer First-Class-Riege prominenter Thikwa-Performer*innen wie Torsten Holzapfel, Peter Pankow und Heidi Bruck rappt Cora Frost, philosophiert Martin Clausen mit sinistrer Überzeugungskraft und der Beatbox-Crack Raphael Schall steuert die Beats bei.
Ein diskursives Musik-Stück über Individualität und die Hürden der Selbstverbesserung.